BGH, Urteil vom 27.01.2011 – VII ZR 186/09 – veröffentlicht in IBR 2011, 263
Entscheidung
Der Antragsteller ist Bauherr eines neuen Verwaltungsgebäudes. Aufgrund von Absenkungen des Flachdachs des Verwaltungsgebäudes stellte der Antragsteller innerhalb der vertraglich vereinbarten Verjährungsfrist für Mängelansprüche Feuchtigkeits- und Fäulnisschäden mit Schimmelpilzbefall in der hölzernen Dachschalung fest. Der Antragsteller beantragte gegen den ausführenden Werkunternehmer wie auch gegen den bauüberwachenden Architekten die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zur Erforschung der Schadensursache und des Schadensumfangs sowie der voraussichtlichen Kosten der Beseitigung. Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens wurde den Antragsgegnern durch das Gericht formlos mitgeteilt. Im nachfolgenden Hauptsacheverfahren erheben die nunmehrigen Beklagten die Einrede der Verjährung mit der Begründung, die formlose Mitteilung des Antrags auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens sei keine Zustellung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB. Eine Hemmung der Verjährung sei nach dieser Vorschrift daher nicht eingetreten.
Die Verjährungsfrist wird durch die formlose Mitteilung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 BGB i.V.m. § 189 ZPO gehemmt. Der BGH entscheidet damit die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Rechtsfrage, ob mit einer Zustellung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB die förmliche Zustellung im Sinne des § 166 ZPO gemeint ist oder ob auch die formlose Mitteilung des Antrags genügen kann.
Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB kann zwar grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens im Sinne von § 166 ZPO förmlich zugestellt worden ist. Nach § 189 ZPO gilt jedoch ein Schriftstück, das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist.
Die Voraussetzungen des § 189 ZPO sind nach Ansicht des BGH erfüllt, wenn ein Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens dem Antragsgegner durch das Gericht nur formlos mitgeteilt wurde und dem Antragsgegner tatsächlich zugegangen ist.
Praxishinweis
Die Entscheidung des BGH wird auch für alle übrigen in § 204 Abs. 1 BGB genannten Hemmungstatbestände maßgeblich sein, die eine Zustellung voraussetzen, so insbesondere auch die Streitverkündung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Das durch den BGH aufgestellte Erfordernis des tatsächlichen Zugangs und die bei einer lediglich formlosen Mitteilung insoweit gegebenen Nachweisschwierigkeiten erfordern aber insbesondere bei einem zeitnah zu erwartenden Eintritt der Verjährung nach wie vor eine besondere Achtsamkeit darauf, dass ein Gericht die nach dem Gesetz vorgesehene förmliche Zustellung auch vornimmt und dokumentiert.
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