BGH, Urteil vom 10.02.2011 – VII ZR 53/10 – veröffentlicht in IBR 2011, 210 und 264

Entscheidung
Ein Auftraggeber (Bauherr) beauftragte für den Neubau eines Ärztehauses einen Rohbauunternehmer und vereinbarte hierbei die Gestellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft. Während der Ausführung der Arbeiten geht der Rohbauunternehmer in die Insolvenz, wodurch es zu Schäden bei der Bauherrin kam (Mehrkosten durch die Notwendigkeit der Beauftragung Drittunternehmer für die Fertigstellung der Rohbauleistungen). Der Bauherr nimmt für diese Schäden den Bürgen aus der Vertragserfüllungsbürgschaft in voller Höhe von 80.000,00 € durch Übersendung eines knapp 30-seitigen Klageentwurfs ohne Anlagen und unter Fristsetzung von drei Wochen in Anspruch. Der Klageentwurf nahm auf insgesamt 30 Anlagen Bezug und enthielt einen Zahlungsantrag in Höhe von 650.000,00 €. Mit einem Standardschreiben verlangte der Bürge die Vorlage zahlreicher Unterlagen und versprach, nach deren Erhalt und Prüfung auf die Angelegenheit zurückzukommen. Nach Fristablauf reichte der Bauherr Klage ein. Nach Zustellung der Klage erkannte der Bürge den Anspruch an, zahlte den Bürgschaftsbetrag und wehrt sich gegen Verzugszinsen und die Kosten des Rechtsstreits mit der Begründung, er sei aufgrund des Fehlens der angeforderten Unterlagen nicht in Verzug gewesen. Verzug könne nur eintreten, wenn die Mahnung alle erforderlichen Angaben zur Überprüfung der Zahlungspflicht enthalte.

Das OLG Düsseldorf (Az. 5 U 83/09) gab dem Bauherrn Recht und wurde mit dem vorgenannten Urteil des BGH vom 10.02.2011 bestätigt. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung Zweierlei festgestellt: Zunächst bestätigte er eine Rechtsprechung des XI. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 29.01.2008 – XI ZR 160/07), wonach die Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft grundsätzlich mit der Fälligkeit der Hauptschuld fällig wird.

Eine zusätzliche Leistungsaufforderung durch den Bürgschaftsgläubiger ist demnach nicht erforderlich. Für das Bauvertragsrecht bedeutet diese Rechtsprechung aus Sicht des Auftraggebers, dass unterschiedliche Verjährungszeitpunkte gegenüber dem Bauunternehmer und dem Bürgen entstehen können. Bei gleichem Verjährungsbeginn verjährt der Gewährleistungsanspruch gegen den Bauunternehmer nach den gesetzlichen Regelungen in fünf Jahren ab Abnahme und gegen den Bürgen in drei Jahren nach Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangen konnte oder musste. Sofern zunächst nur der Bauunternehmer in Anspruch genommen wird, droht der Anspruch gegen den Bürgen etwa im Laufe eines mehrjährigen Rechtsstreits zu verjähren. Hierbei ist für den Verjährungsbeginn gegenüber dem Bürgen unerheblich, ob der gesamte Schaden bereits im Zeitpunkt seiner Entstehung beziffert werden kann. Auch Verhandlungen des Bauherrn mit dem Bauunternehmer oder dessen Insolvenzverwalter berühren den Verjährungsablauf der Forderung gegen den Bürgen nicht. Einziger Weg ist daher, innerhalb der Verjährungsfrist der Bürgenforderung gegen den Bürgen verjährungshemmend tätig zu werden, was nicht selten unterbleibt. Eine außergerichtliche Leistungsaufforderung genügt hierzu nicht, mit dieser wird der Bürge allenfalls in Verzug gesetzt.

Zum Verzug selbst hat der BGH klargestellt, dass den Gläubiger eine Informationspflicht gegenüber dem Bürgen trifft, wenn dieser trotz Leistungsaufforderung eine zuverlässige Prüfung, ob eine Zahlungspflicht besteht, nicht vornehmen kann. Erfüllt der Gläubiger diese Informationspflicht nicht, gerät der Bürge nicht in Verzug. Eine Informationspflicht besteht laut BGH jedoch dann nicht, wenn der Bürge keine ausreichenden und ihm zumutbaren Anstrengungen unternimmt, die ihm fehlenden Informationen zu erlangen. Fehlen ihm Informationen, darf der Bürge – so der BGH darüber hinaus – nicht untätig bleiben, sondern muss zur Vermeidung des Verzugseintritts dem Gläubiger vom Leistungshindernis Mitteilung machen. Die Versendung von standardisierten Schreiben, mit denen undifferenziert Informationen rückgefragt werden, reicht hierzu nicht zwangsläufig aus. Es muss laut BGH im Einzelfall geprüft werden, ob der Bürge alles Zumutbare getan hat, die Leistungsaufforderung zu bewerten.

Praxishinweis
Bauherren sind gut beraten, wenn sie die Gestellung solcher Bürgschaften vertraglich vereinbaren, bei denen eine divergierende Verjährung vermieden wird. Da solche „Klauseln“ in Verträgen AGB-rechtlich nicht unriskant sind, sollten die Formulierungen sorgfältig gewählt werden.