BGH, Urteil vom 19.08.2010 – VII ZR 113/09
Entscheidung
Die Kläger, zwei Wohnungseigentümer, verlangen von der beklagten Bauträgerin im Wege des großen Schadensersatzes wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum jeweils die Rückabwicklung der geschlossenen Kaufverträge, Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige Schäden aus dem Wohnungserwerb. Die Beklagte hält dahingehende Ansprüche für unberechtigt zumindest aber für verjährt.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach Abnahme des Gemeinschaftseigentums am 01.01.2000 traten Mängel am Gemeinschaftseigentum auf, über die am 22.04.2004 erstmalig eine Unterredung zwischen dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagten stattfand. Daraufhin bevollmächtigten die Wohnungseigentümer den Verwalter in der Eigentümerversammlung am 28.04.2004, die Gewährleistungsansprüche bezüglich der Mängel am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Beklagten gerichtlich geltend zu machen. Zur Klärung der Mangelursache wurden zwischenzeitlich mehrere Sachverständigengutachten eingeholt und bis Ende 2007 zwischen dem Verwalter und der Beklagten über die gerügten Mängel verhandelt. Zwischenzeitlich wurde die Beklagte von den Klägern mit Schreiben vom 24.07.2006 und 14.08.2006 zur Beseitigung verschiedener Baumängel aufgefordert und ihr dafür eine Frist bis zum 30.11.2006 gesetzt. Sie kündigten zugleich an, nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist Wandlung, Minderung oder Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe der Wohnung, einschließlich aller sich daraus ergebender Schäden, insbesondere möglicher Steuerschäden geltend zu machen. Gleichzeitig erklärten sie die Frist für verlängerbar, wenn die Mängelbeseitigung in der Abstimmung mit den Vertretern der Wohnungseigentümergemeinschaft zeitnah in Aussicht gestellt bzw. hinsichtlich der einzelnen Mängel verbindlich schriftlich zugesichert werde. Nachdem die Beklagte dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, lehnten die Kläger weitere Mängelbeseitigungsarbeiten ab und erklärten, Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend zu machen.
Die Klage hatte Erfolg.
Da die Erwerbsverträge vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, ist auf diese Verträge das bis 31.12.2001 geltende Schuldrecht anwendbar. Um sich von dem Vertrag lösen zu können, setzt § 634 Abs. 1 BGB a. F. voraus, dass die Kläger der Beklagten eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt haben und diese der Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten wurde ihr durch Schreiben der Kläger vom 24.07/14.08.2006 wirksam eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt.
Zum einen steht der Wirksamkeit nicht entgegen, dass die Kläger sich bereit erklärt haben, die Frist unter Umständen zu verlängern. Denn dadurch wurde die Fristsetzung weder aufgehoben, noch in das Belieben der Beklagte gestellt. Darüber hinaus bedarf es für die Wirksamkeit einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung keiner Wiederholung des Gesetzeswortlauts. Indem die Kläger der Beklagten angekündigt haben, Wandlung und großen Schadensersatz zu verlangen, wurde der Beklagten deutlich vor Augen geführt, dass die Kläger nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Mängelbeseitigung ablehnen werden. Dies entspricht dem Sinn und Zweck einer Ablehnungsandrohung. Insofern ist auch unerheblich, dass die Kläger zugleich in ihren Schreiben angekündigt haben, möglicherweise nur Minderung oder kleinen Schadensersatz zu verlangen.
Die Klage scheitert auch nicht daran, dass die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem die Eigentümergemeinschaft die Verfolgung das Gemeinschaftseigentum betreffenden Gewährleistungsansprüche bereits an sich gezogen hatte. Die Kläger bleiben auch in diesem Fall grundsätzlich weiterhin berechtigt, ihre individuellen Ansprüche auf Rückabwicklung und großen Schadensersatz selbständig zu verfolgen, solange durch ihr Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen der Beklagten nicht beeinträchtigt sind. Dies ist nicht der Fall, solange sich die Wohnungseigentümergemeinschaft – wie hier – mit der Beklagten in Verhandlungen befindet.
Die Ansprüche der Kläger sind auch nicht verjährt. Ist der Verwalter von der Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt worden, über die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum mit der Beklagten zu verhandeln, wird durch dessen Tätigkeit die Verjährung der darauf gerichteten gemeinschaftsbezogenen Ansprüche gehemmt. Indem die Kläger der Beklagten eine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt haben, können sie mit Ablauf der Frist von der Beklagten keine Mängelbeseitigung mehr verlangen. Damit endet für sie zugleich die vom Verwalter herbeigeführte Hemmung der Verjährung, d. h. dass die Ansprüche der Kläger infolge der Verhandlungen des Verwalters für den Zeitraum vom 22.04.2004 (Beginn der Verhandlungen) bis zum 30.11.2006 (Ablauf der Frist zur Mängelbeseitigung) gehemmt waren. Die Klageerhebung erfolgte am 03.09.2007 und somit rechtzeitig vor Ablauf der vereinbarten Gewährleistungsfrist von fünf Jahren, die unter Berücksichtigung des Hemmungszeitraums zum 31.12.2007 geendet hätte.
Praxishinweis
Das Recht des Erwerbers großen Schadensersatz zu verlangen, besteht selbst dann noch, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft die Verfolgung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum an sich gezogen hat.
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