BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 129/09 – veröffentlicht durch Pressemitteilung des BGH Nr. 128/2010 vom 23.06.2010
Entscheidung
Die Klägerin hat von dem Beklagten eine Dachgeschosswohnung gemietet. Der zwischen den Parteien geschlossene schriftliche Mietvertrag enthält keine Angaben zur Größe der Wohnung, in dem Vertragsformular war eine solche auch nicht vorgesehen. Allerdings wurde der Klägerin vor Abschluss des Mietvertrages eine Skizze der Wohnung und eine „Wohnflächenberechnung nach der II. Berechnungsverordnung“ übersandt. Darin war eine Gesamtgröße der Wohnung von 76,45 qm ausgewiesen. Demzufolge sind beide Parteien beim Abschluss des Mietvertrages davon ausgegangen, dass die Wohnung dieser Größenangabe entspricht. Durch ein Sachverständigengutachten wurde nachträglich festgestellt, dass die Berechnung fehlerhaft ist und die Wohnung tatsächlich nur eine Gesamtgröße von 51,44 qm hat. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen der Wohnflächenunterschreitung u. a. die Zurückzahlung zuviel gezahlter Miete.
Zu Recht!
Unter den im vorliegenden Fall zu Grunde liegenden Umständen ist vom Abschluss einer konkludenten Wohnflächenvereinbarung auszugehen, obwohl der Mietvertrag keine Angaben zur Wohnfläche enthält. Schließen die Parteien den schriftlichen Mietvertrag in der beiderseitigen, dem jeweiligen Vertragspartner erkennbaren Vorstellung, die Wohnung weise die zuvor in der Wohnflächenberechnung angegebene Größe auf, ist davon auszugehen, dass eine Wohnflächenvereinbarung konkludent geschlossen wurde, selbst wenn der Mietvertrag dazu schweigt. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der formularmäßige Vertragstext Angaben zur Wohnfläche vorsieht und die Textpassage gestrichen oder bewusst nicht ausgefüllt worden wäre. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen.
Aufgrund dessen, dass die Wohnfläche um mehr als 10 % geringer ist, ist die Klägerin zur Minderung der Miete berechtigt. Die Klägerin kann folglich entsprechend der Minderfläche einen prozentualen Abschlag von der vereinbarten und auch gezahlten Bruttomiete – hier 22 % – vom Beklagten herausverlangen. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist er bei der Berechnung der Mietminderung nicht berechtigt, die höheren Quadratmetermieten zu Grunde zu legen, die der Mietspiegel für entsprechend kleinere Wohnungen ausweist. Eine dahingehende ergänzende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht, weil die Lücke durch die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen geschlossen wird. Diese gestehen lediglich dem Mieter bei Mängeln der Mietsache bestimmte Rechte zu. Der Vertragsinhalt bleibt im Übrigen unberührt.
Praxishinweis
Das Urteil macht deutlich, dass ein Mangel der Mietsache und damit eine Mietminderung der Miete auch dann in Betracht kommen kann, wenn im schriftlichen Mietvertrag keine Abrede zur Größe des Mietgegenstandes getroffen wurde.
Enthält der Mietvertrag hingegen Größenangaben, so gilt Folgendes:
Bei einer Circa-Angabe der Mietfläche führt eine Abweichung um mehr als 10 % nach unten zu einem Mangel der Mietsache. Flächenabweichungen von weniger als 10 % begründen hingegen nur dann einen Mangel der Mietsache, wenn die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch gemindert oder ausgeschlossen ist.
Wird in dem Mietvertrag eine feste Größe vereinbart, ist wesentlich, ob es sich dabei um eine zugesicherte Eigenschaft handelt, was zur Folge hat, dass jede Abweichung einen Mangel der Mietsache begründet. Soll die Größenangabe jedoch nur der Beschreibung des Mietgegenstandes dienen, gelten die Grundsätze entsprechend der Circa-Angabe.
Will man also verhindern, dass die Größe der Mietfläche keine Rolle für die Bemessung des Mietpreises spielt, sollte dies zwischen den Parteien klar und unmissverständlich geregelt werden.
Die vorliegende Entscheidung betrifft zwar das Wohnungsmietrecht, die darin festgestellten Grundsätze lassen sich jedoch auch auf das Gewerberaummietrecht übertragen.
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