VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.09.2010 – 3 S 1752/10 – veröffentlicht in IBR-online (Volltext)
Entscheidung
Der Antragsteller wandte sich in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren gegen die von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit vier bzw. sechs Wohnungen. Er berief sich auf einen Verstoß der von der Stadt erlassenen Ortsbausatzung, nach der sowohl im Bereich seines Grundstücks als auch des Baugrundstücks jeweils nur eine Wohnung pro Stockwerk zulässig war und von welcher die Stadt vorliegend eine Ausnahmegenehmigung erteilt hatte. Der Antragsteller war seinerseits Eigentümer einer Wohnung in einem Haus, in dem die Zahl von einer Wohnung je Stockwerk ebenfalls überschritten wurde. Der Antragsteller machte geltend, durch die Befreiung von den Festsetzungen der Ortsbausatzung in nachbarschützenden Rechten verletzt zu sein.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies seinen Antrag zurück, auch die hiergegen eingelegte Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg stütze seine Entscheidung – ungeachtet der Frage, ob die Ortsbausatzung überhaupt Nachbarschutz gewährte, wovon nach Auffassung des Gerichts eher nicht auszugehen war – insbesondere darauf, dass der Antragsteller selbst in einem Gebäude wohnte, das die Vorgaben der Ortsbausatzung nicht einhielt. Das Gericht verwies insoweit auf den Rechtssatz, nach dem sich im Planungsrecht, wie im Übrigen auch im bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht, ein Nachbar nach Treu und Glauben regelmäßig nicht auf die Verletzung solcher nachbarschützenden Vorschriften bzw. Festsetzungen berufen kann, die er seinerseits nicht einhält, wenn die Verletzung durch das angegriffene Vorhaben nicht schwerer wiegt als der eigene Verstoß und in gefahrenrechtlicher Hinsicht keine völlig untragbaren Zustände entstehen.
Da das geplante Gebäude hinsichtlich der Anzahl der Wohnungen pro Stockwerk das bereits vorhandene Maß des Gebäudes des Antragstellers nicht überschritt, konnte sich der Antragsteller demnach vorliegend hierauf nicht berufen.
Praxishinweis
Es kommt immer wieder vor, dass Bauherrn sich rechtlichen Angriffen von Nachbarn ausgesetzt sehen, deren Gebäude ihrerseits nicht sämtlichen bauordnungs- und bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen. Aus diesem Grund lohnt es sich – je nach Argumentation des Nachbarn – zu überprüfen, wie sich das Gebäude des Nachbarn baurechtlich darstellt und ob sich der Nachbar überhaupt auf die Verletzung der jeweils ins Feld geführten bauordnungs- und/oder bauplanungsrechtlichen Vorschriften berufen kann.
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