Verfassungsgerichtshof Nordhrein-Westfalen, Urteil vom 26.08.2009 – VerfGH 18/08 – veröffentlicht in NVwZ 2009, 1287
Entscheidung
Die Beschwerdeführerin, eine kreisangehörige Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern, wollte ein sogenanntes Factory-Outlet-Center, in welchem Hersteller mit Direktverkaufszentren angesiedelt sind, von 3.500m² auf 11.500m² vergrößern. Dazu beschloss sie sowohl die Änderung des Flächennutzungsplans als auch des einschlägigen Bebauungsplans. Die Bezirksregierung Münster versagte jedoch die beantragte Genehmigung hierzu und verwies auf § 24a Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro). Dieser regelt unter anderem, dass Hersteller-Direktverkaufszentren mit mehr als 5.000m² Verkaufsfläche nur in einer Gemeinde mit 100.000 Einwohnern errichtet werden dürfen. Neben einer dagegen gerichteten verwaltungsgerichtlichen Klage erhob die Beschwerdeführerin auch Kommunalverfassungsbeschwerde. Sie trug vor, dass die angegriffene Norm sie konkret in ihrer Bauleitplanung einschränke, weil die kommunale Planung zur Erweiterung des Factory-Outlet-Centers nicht verwirklicht werden könne. Die Regelung sei zudem formell verfassungswidrig, verstoße gegen das Willkürverbot und greife in verfassungswidriger Weise in das kommunale Selbstverwaltungsrecht ein.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen gab der Kommunalverfassungsbeschwerde statt, da § 24a Abs. 1 Satz 4 LEPro das Recht der Beschwerdeführerin auf kommunale Selbstverwaltung aus Art. 78 Abs. 1 und 2 LV verletzt. Die Regelung störe eine konkrete örtliche Planung nachhaltig. In die kommunale Selbstverwaltung dürfe nur dann eingegriffen werden, wenn überörtliche Interessen von höherem Gewicht diesen Eingriff rechtfertigten. Die Regelung sei nicht durch überörtliche Interessen von höherem Gewicht gerechtfertigt. Das mit der Norm verfolgte Ziel, die Ansiedelung von Hersteller-Direktverkaufszentren auf landesplanerischer Ebene zu steuern, sei zwar grundsätzlich legitim. Denn die Versorgungszentren sollen als Wohn-, Arbeits- und Handelsstandorte gestärkt werden, damit funktionsfähige Versorgungsstrukturen erhalten bleiben. Allerdings sei nicht nachvollziehbar, warum diese Gründe gerade eine Grenzfestlegung bei 100.000 Einwohnern und 5.000m² rechtfertigten. Da die Regelung hier aber zu einer strikten Untersagung für kleinere Gemeinden führe, reichten diese Aspekte als Begründung nicht aus. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergäben sich keine ausreichenden Gründe. Dort seien auch keine empirische Daten enthalten, die die Überlegung stützten, dass beispielsweise ein 5.500m² großes Factory-Outlet-Center sich auf Gemeinden unter 100.000 Einwohner ausnahmslos unverträglich auswirkte, auf Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern aber nicht. Die Begründung reiche auch deswegen nicht aus, weil das strikte Verbot keine Möglichkeit zur Beachtung der jeweiligen regionalen Gegebenheiten lasse.
Praxishinweis
Gerade für ländliche Gebiete, wie sie auch vorliegend betroffen waren, sind Entwicklungsmöglichkeiten von besonderer Bedeutung. Der VerfGH NRW hat die Position der kleineren Gemeinden durch seine Entscheidung diesbezüglich gestärkt und den Gesetzgeber dazu verpflichtet, strikte raumbedeutsame Verbote entweder besser zu begründen oder aber Raum für eine Beurteilung im Einzelfall zu lassen.
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