BGH, Urteil vom 07.04.2011 – VII ZR 209/07 – veröffentlicht in ZfBR 2011, 472
Entscheidung
Ein Architekt nimmt den Bauherrn auf Zahlung restlichen Architektenhonorars in Anspruch. Die Parteien hatten einen Architektenvertrag über Leistungen der Leistungsphasen 2 bis 9 des § 15 Abs. 2 HOAI (alter Fassung) betreffend den Neubau eines Einfamilienhauses geschlossen. Dabei verwandten sie einen vom Architekten vorgelegten „Einheits-Architektenvertrag für Gebäude“, d. h. einen Mustervertrag der Architektenkammer.
§ 4 Nr. 4.5 der dem Architektenvertrag beigefügten „Allgemeine(n) Vertragsbestimmungen zum Einheits-Architektenvertrag (AVA) lautete:
„Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig.“
Nachdem der Bauherr auf eine Abschlagsrechnung des Architekten keine Zahlung leistete, kündigte der Architekt den Vertrag. Gegenüber den klageweise geltend gemachten Resthonoraransprüchen des Architekten rechnet der Bauherr im Prozess mit Schadensersatzforderungen wegen mangelhafter Planung und Bauüberwachung auf. Das Landgericht hatte zwar Honoraransprüche des Architekten in Höhe von rund 60.000,00 € für begründet erachtet, die Klage jedoch gleichwohl abgewiesen, da der Bauherr wirksam mit Gegenansprüchen wegen Mängeln in übersteigender Höhe aufgerechnet habe. Das Berufungsgericht hingegen hatte der Honorarklage des Architekten stattgegeben, weil es die Aufrechnung des Bauherrn für unzulässig erachtete. Denn der Aufrechnung des Bauherrn stehe das Aufrechnungsverbot in § 4 Nr. 4.5 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Architektenvertrag entgegen.
Dies hielt der rechtlichen Nachprüfung durch den BGH nicht stand. Denn das vom Architekten als Allgemeine Geschäftsbedingung im Vertrag verwandte Aufrechnungsverbot ist – so der BGH – gemäß § 9 Abs. 1 AGBG (= jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) unwirksam. Denn das Aufrechnungsverbot benachteiligt den Bauherrn als Vertragspartner des verwendenden Architekten entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen.
Eine solche Benachteiligung hält der BGH immer dann für gegeben, wenn der Auftraggeber durch das Verbot der Aufrechnung in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrages gezwungen wäre, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen. Denn hierdurch würde in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in für den Auftraggeber unzumutbarer Weise eingegriffen. Insoweit ist die Aufrechnung nichts anderes als die Fortwirkung des Leistungsverweigerungsrechts gemäß § 320 Abs. 1 BGB, welches dem Auftraggeber im Falle einer mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung zusteht. Dieses aber kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 2 a BGB).
Ob ein Aufrechnungsverbot für andere Ansprüche des Auftraggebers, d. h. für Ansprüche, die nicht auf Fertigstellungsmehrkosten oder Mängelbeseitigungskosten des Architektenwerkes gerichtet sind, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden kann, lässt der BGH dahingestellt. Dies dürfte allerdings ebenfalls zu bejahen sein.
Praxishinweis
Für Auftraggeber eine erfreuliche Entscheidung, für Architekten und Ingenieure hingegen hat dieses Urteil eine überaus negative Tragweite. Klagt der Architekt oder Ingenieur Resthonorar ein, ist es bereits nahezu Regelfall, dass der Auftraggeber, auch wenn den Honoraransprüchen oftmals gar nicht viel entgegenzusetzen ist, mit Gegenansprüchen wegen fehlerhafter Planung oder Bauüberwachung zumindest hilfsweise die Aufrechnung erklärt. Dies hat zur Folge, dass – auch wenn die Honorarklage entscheidungsreif ist – ein Urteil hierüber nicht ergehen kann bevor nicht auch die Berechtigung der Gegenforderungen geklärt ist. Hierzu bedarf es in aller Regel aufwändiger – insbesondere zeitaufwändiger – Sachverständigengutachten. Zwar gibt § 302 ZPO dem Gericht grundsätzlich die Möglichkeit, über entscheidungsreife Forderungen ein Vorbehaltsurteil zu erlassen, in Fällen der Aufrechnung von Werklohn mit Gegenansprüchen wegen Mängeln lässt der BGH dies jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen zu. Die Begründung ist dieselbe wie in diesem Urteil. So war es nur verständlich, dass die Architekten (und Architektenkammern) versuchten, in ihren Verträgen das Dilemma durch ein vertragliches Aufrechnungsverbot zu umgehen. Insoweit allerdings ist auch die Entscheidung des BGH, diese Aufrechnungsverbote für AGB-widrig zu erklären, nur konsequent.
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