Hessischer VGH, Beschluss vom 31.05.2011 – 3 B 1111/11 –
Entscheidung
Der Antragsteller wohnt und arbeitet gegenüber einer Baustelle im Stadtgebiet von Frankfurt am Main. Seit Beginn des Jahres 2011 wurden auf der Baustelle verschiedene Gebäude abgebrochen, wodurch es zu Lärmauswirkungen am Wohnhaus und Büro des Antragstellers kam, die Beurteilungspegel von bis zu 72 dB(A) erreichten. Der Antragsteller beantragte, die Stadt zum Einschreiten gegen den Baulärm zu verpflichten, um eine Überschreitung eines Immissionsrichtwertes von 55 dB(A) am Tag zu verhindern.
Nachdem das Verwaltungsgericht die Stadt Frankfurt verpflichtet hat, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass am Wohnhaus des Antragstellers tagsüber Werte von 55 dB(A) und nachts von 40 dB(A) entsprechend den Immissionsrichtwerten aus der AVV Baulärm für allgemeine Wohngebiete nicht überschritten werden, hat der Hessische VGH in seinem Beschuss die einzuhaltenden Werte angehoben. Nach der Entscheidung des VGH sind in der Wohnung des Antragstellers Werte von 65 dB(A) am Tag und von 50 dB(A) in der Nacht einzuhalten, was die Stadt Frankfurt durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen habe.
Im Unterschied zum Verwaltungsgericht hat der VGH die Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm für Gebiete mit gewerblichen Anlagen und Wohnungen, in denen noch vorwiegend Wohnungen untergebracht sind (vgl. Nr. 3.1.1. c) AVV Baulärm), herangezogen. Nach Auffassung des VGH kommt es auf die bauliche Nutzung im gesamten Einwirkungsbereich der Baustelle an, nicht nur auf das Wohnhaus des Antragstellers, das sich in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet befindet.
Zudem hat der VGH – anders als das Verwaltungsgericht – die Regelung in Nr. 4.1 berücksichtigt, wonach Maßnahmen zur Minderung der Geräusche von Baustellen erst dann angeordnet werden sollen, wenn die in Nr. 3.1 AVV Baulärm vorgesehenen Werte um mehr als 5 dB(A) überschritten werden.
Praxishinweis
Innerstädtische Baustellen sind häufig Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Bauherren und ihren Nachbarn über die dadurch verursachten Auswirkungen, insbesondere den Baulärm. Baustellen werden rechtlich als nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 22 BImSchG behandelt. Der von ihnen ausgehende Lärm wird nach der AVV Baulärm beurteilt. Der VGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass die Stadt den Nachbarn nicht darauf verweisen kann, ein gewisses Maß an Lärm sei unvermeidbar und müsse geduldet werden, selbst wenn es die Richtwerte der AVV Baulärm deutlich überschreitet. Andererseits hat der VGH aber im Gegensatz zum VG Frankfurt verdeutlicht, dass Anordnungen erst bei wahrnehmbaren Überschreitungen der in der AVV Baulärm vorgesehenen Richtwerte erlassen werden sollen. Welche Maßnahmen die Stadt im Einzelnen wählt, um den Bauherrn zur Einhaltung zu verpflichten, bleibt ihr überlassen und wurde vom VGH auch nicht vorgegeben.
Die AVV Baulärm sieht als Maßnahmen unter anderem auch die Beschränkung der Betriebszeit lauter Baumaschinen vor. Um erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Realisierung von innerstädtischen Baumaßnahmen aufgrund von Streitigkeiten über Baulärm zu vermeiden, bietet es sich seitens des Bauherrn an, bereits im Vorfeld ein Lärmschutzkonzept aufzustellen und im Zweifelsfalle dieses auch zu überwachen, um die Einhaltung der einschlägigen Richtwerte nachweisen zu können.
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