BGH, Urteil vom 04.12.2009 – V ZR 44/09

Entscheidung
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie streiten darüber, ob die Rücklage für die Instandhaltung in der Jahresabrechnung zutreffend dargestellt ist. In dieser Jahresabrechnung ist unter dem Abschnitt „1. Ausgaben/Einnahmen“ unter sonstigen Kosten die Position „Zuführung Rücklage Haus“ ein Gesamtbetrag in Höhe von € 13.400,00 ausgewiesen nebst einem Verteilungsschlüssel entsprechend dem Anteil des jeweiligen Wohnungseigentümers daran. Abschnitt „6. Entwicklung der Rücklagen“ enthält eine Position „Zugang zur Rücklage Haus“, in der der Gesamtbetrag in Höhe von € 13.400,00 der dahingehenden Sollbeträge dargestellt ist. Tatsächlich wurden jedoch nicht von allen Wohnungseigentümern die geschuldeten Beträge für die Instandhaltungsrücklage gezahlt. Die Kläger haben mit der Klage den in der Jahresversammlung mehrheitlich gefassten Beschluss über die Jahresabrechnung angefochten. Sie sind der Ansicht, dass in der Jahresabrechnung nur die tatsächlich geleisteten Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage ausgewiesen werden dürfe, wohingegen die Beklagten es für ausreichend erachten, nicht die Ist-, sondern die Soll-Beträge in die Jahresabrechnung einstellen zu können.

Der BGH folgt der Ansicht der Kläger. Es hält den Beschluss über die Abrechnung im Hinblick auf die Aufnahme des Soll-Betrages der Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage in Abschnitt 1 und der Darstellung der Entwicklung in Abschnitt 6 für ungültig, weil die Abrechnung insoweit § 28 Abs. 3 WEG widerspricht. Nach dieser Bestimmung hat der Verwalter nach Ablauf des Kalenderjahres eine Abrechnung über die Einnahmen und Ausgaben zu erstellen, wozu eine geordnete und übersichtliche Einnahmen- und Ausgabenrechnung gehört, die auch Angaben über die Höhe der gebildeten Rücklagen enthält. Dieser Anforderungen entspricht die streitgegenständliche Jahresabrechnung nicht, da sie nur diejenigen Beträge ausweist, die der Instandhaltungsrücklage zugeführt werden sollten, nicht aber die Beträge, die tatsächlich gezahlt wurden.

Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen, kann – entsprechend einer weit verbreiteten Ansicht – für die Zuführung zur Rücklage nicht gemacht werden. Vielmehr sind die tatsächlichen Zahlungen der Wohnungseigentümer auf die Rücklage als Einnahme darzustellen sowie die geschuldeten Zahlungen im Rahmen der Entwicklung der Instandhaltungsrücklage auszuweisen. Wie die Zahlungen auf die Instandhaltungsrücklage in der Jahresabrechnung auszuweisen sind, ergibt sich einerseits aus dem Zweck der Abrechnung sowie andererseits aus dem Zweck der Darstellung der Entwicklung der Rücklage. Zweck der Abrechnung ist es, den Wohnungseigentümern aufzuzeigen, welche Ausgaben und welche Einnahmen die Wohnungseigentümergemeinschaft im Abrechnungszeitraum wirklich hatte. Deshalb dürfen in ihr nur die tatsächlich erzielten Einnahmen und tatsächlich erfolgten Ausgaben gebucht werden. Die Darstellung der Entwicklung der Rücklage in der Jahresabrechnung soll den Wohnungseigentümern die Vermögenslage der Gemeinschaft zu erkennen geben und ihnen ermöglichen, diese auf ihre Plausibilität hin zu prüfen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Darstellung erkennen lässt, in welchem Umfang die Wohnungseigentümer mit Ihren Zahlungen im Rückstand sind. Hierzu sind die Zahlungen auszuweisen, welche die Wohnungseigentümer auf die Instandhaltungsrücklage tatsächlich erbracht haben, als auch die Beträge, die sie schuldeten, aber nicht geleistet haben.

Praxishinweis
Über die Frage, in welcher Art und Weise Jahresabrechnungen zu erstellen sind, besteht seit jeher Streit. Deshalb ist diese Entscheidung von erheblicher Bedeutung. Sie setzt sich ausführlich mit den bisher dazu vertretenen Ansichten auseinander und erteilt der bislang herrschenden Meinung eine deutliche Absage. In der Verwaltungspraxis wurden entsprechend dieser herrschenden Ansicht die Sollzahlungen der Wohnungseigentümer als fiktive Kosten in die Jahresabrechnung eingestellt. Alle bekannten Abrechnungsprogramme sahen diese Vorgehensweise in ihrer Maske vor. Sie werden zukünftig umzustellen sein. Ein Verwalter, der in Kenntnis dieser Rechtslage diese Programme weiter verwendet bzw. nicht gemäß den Vorgaben des BGH über die Zahlungen zur Instandhaltungsrücklage abrechnet, trägt zukünftig ein erhebliches Haftungsrisiko.