OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.03.2009 – 1 ME 14/09 – veröffentlicht in DVBl 2009, 601
Entscheidung
Die Antragstellerin wandte sich im Wege eines Abänderungsantrages nach § 80 Abs. 7 VwGO gegen eine zuvor im Eilrechtsschutzverfahren ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Insgesamt wehrte sie sich gegen die Genehmigung eines Einkaufszentrums der Beigeladenen durch die beklagte Baubehörde. Die Antragstellerin fürchtete, insoweit durch den Zu- und Abgangsverkehr des geplanten Einkaufszentrums unzumutbar durch Lärm belastet zu werden.
Im Verfahren zur Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung legte sie eine schallgutachterliche Stellungnahme vor, mit dem das Schallgutachten der Beigeladenen widerlegt werden sollte. Die Antragstellerin vertrat zudem die Ansicht, dass sie bei einer Lärmeinwirkung im Bestand von über 70 dB(A) nicht einmal mehr marginale Lärmerhöhungen hinzunehmen habe. Das OVG gab dem Antrag nicht statt und begründete dies damit, dass die Antragstellerin zum einen keine geänderten Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dargelegt hätte. Zum anderen betonte das OVG, dass nicht jede Maßnahme, die im Umfeld einer für sich genommen bereits gesundheitsgefährdenden Vorbelastung stattfindet, nach ständiger Rechtsprechung bereits unzulässig ist. Allein die Überschreitung der Grenzwerte der 16. BImSchV führe daher vorliegend nicht dazu, dass das Bauvorhaben nicht realisiert werden könne.
Zu Recht!
Das OVG Lüneburg führte aus, dass veränderte Umstände zwar bei Vorlage eines neuen Gutachtens gegeben sein könnten. Dies gelte zum Beispiel, wenn der Bauherr erstmals ein für sein Vorhaben erforderliches Schallgutachten vorlege oder das Gericht ein solches Gutachten einhole. Es könnten auch in anderen Fällen veränderte Umstände anzunehmen sein, wenn einem Gutachten neue Anknüpfungstatsachen zugrunde liegen, so etwa eine geänderte Zahl von geplanten Stellplätzen. Vorliegend hatte die Antragstellerin mit ihrem Gutachten aber lediglich versucht, die Grundlagen des Schallgutachtens der Beigeladenen anzuzweifeln, ohne eigene Ergebnisse zur voraussichtlichen Lärmbelastung vorzulegen. Hinsichtlich der Lärmbelastung hat das OVG klargestellt, dass es bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im Hinblick auf den dadurch erzeugten Verkehrslärm auf Ziff. 7.4 TA Lärm ankomme. Danach sind organisatorische Maßnahmen zu treffen, wenn drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen, von denen nur eine die erstmalige oder weitergehende
Überschreitung der Immissionswerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) sei. Die 16. BImSchV komme demgegenüber als alleiniges Entscheidungskriterium nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher baulicher Eingriff in einen Verkehrsweg erfolge.
Dies sei beispielsweise in Planfeststellungsverfahren oder Bauleitplanverfahren der Fall, wenn ein Bebauungsplan auch eine Straße überplane.
Die hierauf bezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Überschreitung der Werte aus der 16. BImSchV könne daher nicht auf die Zulässigkeit von Bauvorhaben übertragen werden.
Praxishinweis
Der Zu- und Abgangsverkehr zu neuen Bauvorhaben ist häufiger Anhaltspunkt für Auseinandersetzungen zwischen Bauherren und Nachbarn. Insbesondere in Innenstadtlagen, in denen bereits ein erhebliches Verkehrsaufkommen besteht, versuchen sich Nachbarn vor einer weiteren Verkehrszunahme zu schützen. Wie das OVG noch einmal klargestellt hat, kommt es dabei aber gerade nicht nur auf die – möglicherweise bereits hohen – Immissionswerte im Bestand an. Organisatorische Maßnahmen zur Reduzierung des neu verursachten Verkehrs muss der Bauherr nur dann treffen, wenn diese die Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht um mindestens 3 dB(A) erhöhen, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt und die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV erstmals oder weitergehend überschritten werden.
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