BGH, Urteil vom 27.03.2009 – V ZR 30/08

Entscheidung
Kaufgegenstand war ein Wohngebäude, welches im Jahr 1980 in Fertigbauweise errichtet wurde. In dessen Außenfassade waren Asbestzementtafeln verarbeitet worden. Nachdem bereits andere Kaufinteressenten aus diesem Grund von ihren Kaufabsichten abgerückt waren, klärte der Verkäufer den Käufer während der Verkaufsgespräche nicht über die Asbestverkleidung auf. Die Gewährleistung für Fehler und Mängel wurde in dem Kaufvertrag ausgeschlossen.

Der Käufer erlangte erst nach Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von der Asbestverkleidung und verlangt nunmehr vom Verkäufer Schadenersatz in Höhe der Kosten der Asbestsanierung.

Zu Recht!
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Baustoffe, die bei der Errichtung eines Wohnhauses zu diesem Zeitpunkt üblich waren, später sich aber als gesundheitsschädlich erwiesen haben, in der Regel einen offenbarungspflichtigen Sachmangel begründen. Dies soll jedenfalls – wie in dem entschiedenen Fall – dann gelten, wenn Baumaterialien Stoffe enthalten, die schon in geringen Dosen karzinogen wirken und die ernsthafte Gefahr besteht, dass diese Stoffe bei üblicher Nutzung, Umgestaltung oder Renovierung des Kaufobjektes austreten. Das Vorhandensein dieser Stoffe begründet eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit eines Wohngebäudes, wenn übliche Umgestaltungs-, Renovierungs- und Umbaumaßnahmen nicht ohne gravierende Gesundheitsgefahren vorgenommen werden können. Erschwerend hinzugekommen sei, dass derartige Arbeiten üblicherweise auch von Laien und nicht nur von mit dem Umgang gefährlicher Baustoffe vertrauten Fachhandwerksbetrieben ausgeführt werden.

Hat der Verkäufer den Käufer im Rahmen der Verkaufsverhandlungen über die Beschaffenheit des Wohngebäudes nicht aufgeklärt, steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch wegen Verschulden bei Vertragsabschluss zu. Dem steht auch nicht entgegen, dass in dem vorliegenden Kaufvertrag Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen waren, da ein Verstoß gegen Offenbarungspflichten wie ein arglistiges Verhalten gewertet wird.

Praxishinweis
Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung zunächst eine heftig umstrittene Rechtsfrage geklärt, nämlich ob nach Gefahrenübergang (was in der Regel mit Übergabe der Kaufsache erfolgt) sich die Haftung des Verkäufers ausschließlich nach den kaufrechtlichen Vorschriften bestimmt oder ob er daneben auch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsabschluss haftet.
Seiner Auffassung nach gelten grundsätzlich die kaufrechtlichen Vorschriften, er lässt aber zugleich Ausnahmen davon zu. Eine solche Ausnahme, sieht er dann als gegeben an, wenn der Verkäufer den Käufer im Hinblick auf die Beschaffenheit der Kaufsache arglistig täuscht. Einer dahingehenden Haftung kann sich der Verkäufer auch nicht durch einen in Kaufverträgen über Bestandsobjekte üblicherweise geregelten Gewährleistungsausschluss entziehen.

Ein arglistiges Verschweigen setzt voraus, dass dem Verkäufer der Mangel bekannt ist und hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Einen offenbarungspflichtigen Mangel sieht der Bundesgerichtshof in der Regel als gegeben an, wenn das Kaufobjekt zum Zeitpunkt des Verkaufs mit Schadstoffen belastet ist, deren Gefährdungspotential zu einem früheren Zeitpunkt nicht gesehen oder als geringfügig eingestuft wurde. Allerdings betont er zugleich, dass dies eine Frage des Einzelfalles ist und nicht bloß auf das abstrakte Gefährdungspotential der Schadstoffbelastung abgestellt werden kann. Vielmehr ist erforderlich, dass die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen Gefährdungspotential im Rahmen der „üblichen Nutzung des Kaufobjekts“ austreten können. Die Nutzbarkeit eines Wohnhauses geht dabei über das bloße Wohnen hinaus. Insofern muss auch die Möglichkeit bestehen, ohne Gesundheitsgefährdung im üblichen Maße Umgestaltungen, bauliche Veränderungen oder Renovierungen vorzunehmen.

Um sich vor Schadensersatzansprüchen zu schützen, sollte daher der Verkäufer den Käufer im Rahmen der Verkaufsverhandlungen umfassend über vorhandene Mängel, insbesondere bestehende Schadstoffbelastungen aufklären und dessen Fragen vollständig und richtig beantworten.