BGH, Urteil vom 27.04.2022 – VIII ZR 304/21
In seinem Urteil vom 27.04.2022 nimmt der BGH zur Problematik des Mieteraustauschs in Wohngemeinschaften Stellung.
Die Kläger bilden zu sechst eine Wohngemeinschaft in einer vom Beklagten vermieteten Wohnung. Sie fordern von ihm die Zustimmung zum Austausch von vier alten Mietern durch vier neue Mieter. Der Mietvertrag soll dabei ansonsten unverändert erhalten bleiben. Die vier neuen Mieter wohnen bereits als Untermieter in der Wohnung. In der Vergangenheit hatte der Vermieter bereits zwei einzelnen Mieterwechseln zugestimmt; dem streitgegenständlichen erneuten Austausch widerspricht er jedoch.
Die Entscheidung
Der BGH lehnt einen grundsätzlichen Anspruch auf Zustimmung zum Austausch von Mietern gegen den Vermieter ab. Sofern keine vertragliche Regelung besteht, ist nach Ansicht des BGH die Frage, ob ein Anspruch auf Zustimmung vereinbart wurde, allein im Wege der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien bei Abschluss des Mietvertrages zu beantworten.
Dabei sind die oft gegensätzlichen Interessen der Parteien zu berücksichtigen. Die Mieter werden durch die Annahme eines Anspruchs auf Zustimmung bessergestellt als durch die gesetzlichen Regelungen zum Mieterwechsel.
Dem Bedürfnis der Mieter auf Flexibilität trägt der Gesetzgeber Rechnung durch die Normen § 553 BGB (Untervermietung) und § 573c BGB (kurze Kündigungsfrist). Die Annahme eines Zustimmungsanspruchs geht über das gesetzlich Geregelte hinaus und benachteiligt den Vermieter erheblich.
Ist er verpflichtet dem Wechsel zuzustimmen, hat er keinen Einfluss mehr auf die Solvenz seiner Mieter. Diese profitieren möglicherweise auch noch von einer günstigeren Miete, da das Mietverhältnis bereits länger andauert und gleichzeitig dem Vermieter bei der Erhöhung der Miete in laufenden Verträgen Grenzen gesetzt sind, vgl. §§ 558 ff. BGB.
Dazu kommt, dass anders als der Untermieter, der alte Mieter bei einer Vertragsübernahme aus dem Mietvertrag ausscheidet und ab diesem Moment nicht mehr für Schäden an der Wohnung haftet.
Zusätzlich können die Mieter – anders als im Fall der Untervermietung – jederzeit und ohne größeren Aufwand das Mietverhältnis beenden.
Diese umfassende Begünstigung der Mieter im Vergleich zu der gesetzlichen Ausgangslage führt dazu, dass konkrete Anhaltspunkte auf Seiten des Vermieters benötigt werden, um anzunehmen, dass dieser den Mietern ein derartiges Recht zugestehen wollte.
Das Gericht widerspricht der Ansicht der Kläger, dass dem Vermieter von vorneherein bewusst gewesen ist, dass die Mieter (hier: Männer) in einer Wohngemeinschaft leben wollen und deshalb mit häufigen Wechseln der Mieter zu rechnen ist. Der Begriff der Wohngemeinschaft ist gesetzlich nicht definiert und impliziert nach Ansicht des BGH nicht allein durch seine Bezeichnung, dass mit häufigen Mieterwechseln zu rechnen ist und das Zusammenleben nicht auf Dauer angelegt ist.
Zusätzlich ist auch nicht allein aus der Personenzahl, dem Geschlecht, sowie dem Alter der Mieter zu erkennen, ob der Mietvertrag einer dauerhaften Lebensgemeinschaft dienen soll oder nur für die begrenzte Zeit einer Zweckgemeinschaft geschlossen wurde.
Aus der Zustimmung des Vermieters zu vorherigen Mieterwechseln lässt sich kein genereller Wille des Vermieters ableiten, allen zukünftigen Wechseln zuzustimmen.
Die Rechtsprechung erkennt den Fall des Mieters an, der eine Entlassung aus dem Mietverhältnis verlangt und dem Vermieter gleichzeitig einen geeigneten und zumutbaren Ersatzmieter stellt (BGH-Urteil v. 07.10.2015, VIII ZR 247/14). In diesem Fall besteht jedoch nur ein Anspruch auf Entlassung aus dem Mietverhältnis; es wird kein neuer Anspruch auf Abschluss des Mietvertrages mit dem Ersatzmieter begründet. Darüber hinaus sind die Fälle auch nur schwer vergleichbar, da Ziel der Mieter im vorliegenden Fall nicht die Entlassung aus dem Mietvertrag, sondern die Auswechslung von Mietern in einem fortbestehenden Mietverhältnis ist.
Ohne Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Willen der Parteien zu einem häufigen Mieterwechsel gibt es nach Ansicht des BGH keinen Grund ein Recht der Mieter auf Zustimmung zum Wechsel der Mieter anzunehmen. Insgesamt ist bei der Auslegung der Willenserklärungen der Parteien ein strenger Maßstab zu wählen, da die Nachteile für den Vermieter teilweise erheblich sind.
Praxistipp
Der BGH macht in seinem Urteil deutlich, dass die Frage nach einem Anspruch auf Zustimmung zum Mieterwechsel durch den Vermieter nicht schematisch zu beantworten ist. Gibt es keine vertraglichen Regelungen, so ist im Rahmen der Auslegung der Willen der Parteien zu ermitteln, ob ein solches Recht besteht oder nicht.
Weder die gemeinsame Anmietung durch mehrere Männer noch die Zustimmung des Vermieters zu früheren Wechseln sind ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme eines übereinstimmenden Willens zur Vereinbarung einer Zustimmungspflicht des Vermieters.
Allerdings kann ein solcher Wille dann angenommen werden, wenn die Mieter von Anfang als Außen-GbR auftreten oder z. B. auch dann, wenn die Parteien als Mietzweck eine „Studenten-WG“ angeben. Im Fall der Studenten-WG ist allgemein anerkannt, dass mit häufigen Wechseln der Mieter zu rechnen ist.
Soll dennoch ein solches Recht auf Zustimmung vereinbart werden, liegt es regelmäßig im Interesse der Mieter dafür zu sorgen, dass eine entsprechende Bestimmung in den Mietvertrag mitaufgenommen wird, da sie überwiegend von den Vorteilen gegenüber den gesetzlichen Regelungen profitieren.
Für Vermieter besteht dabei jedoch die Gefahr, dass sie ihre Wohnung als „WG-Wohnung“ widmen und für lange Zeit an den Mietvertrag gebunden werden, ohne einen Einfluss auf die Wahl der Mieter zu haben. Eine die Interessen ausgleichende Lösung wäre wohl am ehesten durch eine Untervermietung zu erreichen.
Rechtsanwalt Carl Mang
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
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