OLG Celle, Urteil vom 04.03.2020 – 7 U 334/18

BGH, Beschluss vom 04.11.2020 – VII ZR 45/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

 

Das OLG Celle beschäftigt sich in diesem Urteil mit der Frage, wie der Entschädigungsanspruch nach § 642 Abs. 1 BGB in Bezug auf die vorgehaltenen, aber untätigen Arbeitskräfte des Auftragnehmers zu bemessen ist.

Die Beklagte hatte die Klägerin mit Bauarbeiten im Rahmen der Errichtung eines Fachmarktzentrums beauftragt. Da der Auftraggeber eine nach § 648a BGB a.F. (jetzt § 650f BGB) geforderte Sicherheit nicht stellte, kündigte der Auftragnehmer den Vertrag. Der Auftragnehmer stellte dem Auftraggeber nach der Kündigung die Schlussrechnung. Diese enthielt unter anderem Kosten für vorgehaltene Arbeitskräfte, die aufgrund eines Stillstands untätig bleiben mussten. Der Auftragnehmer hat nicht die bei ihm angefallenen Lohnkosten in Ansatz gebracht, sondern auf übliche Stundensätze/Einheitspreise abgestellt.

 

Urteil

Nach Ansicht des OLG Celle ist diese Berechnungsweise verfehlt. Die Beträge, die der Auftragnehmer in Rechnung stellt, wenn er auf Stundenlohnbasis abrechnet, sind im Rahmen des Schadensersatzbegehrens nicht maßgeblich. Der Schaden des Auftragnehmers besteht darin, dass er seine Mitarbeiter bezahlen musste, obwohl diese keine Gegenleistung (Arbeitsleistung) erbracht hatten.

Bei dem Anspruch aus § 642 BGB handle es sich um einen vergütungsähnlichen- und nicht um einen Schadensersatzanspruch. Dem Auftragnehmer soll eine Entschädigung dafür gewährt werden, dass er während der Dauer des Verzugs Kapital und Arbeitskräfte vorhalten muss, ohne dass der Werklohn dafür einen Ausgleich verschafft. Maßgeblich für die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB ist die dem Vertrag zugrunde liegende Kalkulation des Auftragnehmers. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung enthält der Entschädigungsanspruch auch die auf die vorgehaltene Leistung entfallenden allgemeinen Geschäftskosten und Wagnis und Gewinn (BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17).

 

Praxistipp

Macht der Auftragnehmer Entschädigung aufgrund von AG-seitigem Mitwirkungsverzug geltend, endet die Prüfung des Auftraggebers nicht nach der Behinderungsanzeige. Vielmehr ist auch zu prüfen, wie der Entschädigungsanspruch kalkuliert wird. In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass es sich Auftragnehmer „leicht machen“ und für die Dauer von Stillstandzeiten pauschal Stundenlohnarbeit der untätigen Arbeitskräfte in Rechnung stellen.

Nach der hier besprochenen Entscheidung des OLG Celle sind solche Berechnungsweisen nicht zulässig. Die Bemessung des Entschädigungsanspruchs ist anhand der Kalkulation des Auftragnehmers vorzunehmen. Kann dies nicht anhand einer Urkalkulation erfolgen, sind die dem Auftragnehmer aufgrund des Stillstands entstandenen Kosten schlüssig darzulegen. Das Gericht hat dann eine Abwägungsentscheidung zu treffen, wobei nach § 287 ZPO geschätzt werden kann.

 

Rechtsanwalt Philipp Schlemmer