OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.11.2010 – 4 U 548/09 – veröffentlicht in IBR 2011, 95

Entscheidung
Beraten durch ein Ingenieurbüro, das neben der Planung auch die Vorbereitung der Vergabe und Mitwirkung bei der Vergabe schuldete, hat eine Vergabestelle Bauleistungen ausgeschrieben. Nach Eingang der Angebote musste sie feststellen, dass das günstigste zu wertende Angebot um 13,9 % über dem von dem Ingenieurbüro kalkulierten Auftragswert lag. Die Vergabestelle hob die Ausschreibung auf und schrieb erneut aus. In dem neuen Verfahren wurde der Auftrag an einen anderen Bieter erteilt, dessen Angebot immer noch über dem ursprünglich kalkulierten Kostenbetrag, aber deutlich unter dem günstigsten Angebot der Erstausschreibung lag.

Der nicht berücksichtigte Bestbieter der ersten Ausschreibung wandte sich gegen die Aufhebung des Verfahrens und machte Schadensersatz geltend. Es stellte sich heraus, dass die Kostenkalkulation des Ingenieurbüros aufgrund von Rechenfehlern zu niedrig war, so dass das Angebot des Bestbieters bei richtiger Kostenkalkulation nur um 8 % über dem zu erwartenden Kostenbetrag gelegen hätte. Die Aufhebung war deshalb rechtswidrig und die Vergabestelle wurde zur Leistung von Schadensersatz an den ursprünglich zu berücksichtigenden Bieter verurteilt. Nach der Auffassung des OLG Saarbrücken hat ihr das Ingenieurbüro die dadurch entstandenen Kosten zu einem Großteil zu erstatten.

Praxishinweis
Das Haftungspotenzial für Planer ist bei der Begleitung öffentlicher Ausschreibungen nochmals deutlich erweitert: Obwohl die üblichen Toleranzen der Baukostenermittlung nicht überschritten wurden und der Bauherr das über der Kostenschätzung liegende Angebot gar nicht beauftragt hat, also gar keine entsprechenden Verpflichtungen zur Zahlung der erhöhten Baukosten ausgelöst wurden, haftet das beteiligte Ingenieurbüro auf Schadensersatz. Die formellen Anforderungen und daraus folgenden weiteren Haftungsmöglichkeiten im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung sollten den beratenden Planer daher zu erhöhter Vorsicht veranlassen.

Für öffentliche Auftraggeber lassen sich aus dieser Entscheidung darüber hinaus noch Hinweise ziehen, wann die Rechtsprechung die Aufhebung einer Ausschreibung aus wichtigem Grund akzeptiert. Bisher liegen sehr weit gestreute Entscheidungen vor, die bereits jede Überschreitung der Kostenkalkulation als Aufhebungsgrund oder aber eine Abweichung von 15 % nicht als ausreichend ansehen. Im vorliegenden Fall blieb die Angabe der Vergabestelle, dass für sie eine Abweichung von 12 % nicht akzeptabel sei, unbeanstandet. Es bleibt aber abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung in dieser Frage weiterentwickelt.