BGH, Urteil vom 27.11.2008 – VII ZR 206/06 –
veröffentlicht in IBR 2009, 93
Entscheidung
Der Bauherr macht gegenüber dem bauüberwachenden Architekten Schadensersatz in Höhe von 1 Mio. € wegen gravierender Mängel an der Glasfassade einer Wohnanlage geltend. Der beklagte Architekt war ausschließlich mit der Objektüberwachung und Objektbetreuung (Leistungsphase 8 und Leistungsphase 9) beauftragt.
Die Planungsleistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 waren durch ein anderes Architekturbüro erbracht worden. Der gerichtlich bestellte Sachverständige stellte fest, dass es sich sowohl um Planungs- als auch um Ausführungsmängel handele. Ein Großteil der Mängel sei zudem auch darauf zurückzuführen, dass der Beklagte seiner Objektüberwachungspflicht nur unzureichend nachgekommen sei.
Das OLG (hier Kammergericht Berlin) hat den Beklagten vollumfänglich zum Schadensersatz in eingeklagter Höhe wegen mangelhafter Bauüberwachung verurteilt. Ein Mitverschulden des planenden Architekten wegen Planungsfehler müsse sich der Bauherr nicht entgegenhalten lassen, da der planende Architekt im Verhältnis des Bauherrn zum bauüberwachenden Architekten nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn sei.
Dies sieht der BGH anders und hat das Urteil aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsermittlung und Verhandlung an das Kammergericht zurückverwiesen. So führt der BGH aus, dass den Bauherrn zumindest die Obliegenheit trifft, dem bauüberwachenden Architekten mangelfreie Pläne zur Verfügung zu stellen.
Nimmt der Bauherr daher den bauüberwachenden Architekten wegen eines Bauwerkmangels in Anspruch, der darauf zurückzuführen ist, dass die gelieferten Pläne mangelhaft sind und der bauüberwachende Architekt dies pflichtwidrig nicht bemerkt hat, so muss er sich gemäß §§ 254 Abs. 1, 278 BGB das mitwirkende Verschulden des planenden Architekten als seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.
Der Einwand des Mitverschuldens gemäß § 254 BGB setzt voraus, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Hierbei handelt es sich um ein Verschulden des Geschädigten gegen sich selbst, um die Verletzung einer im eigenen Interesse liegenden Obliegenheit. Dem Geschädigten kann daher auch, so der BGH, die schuldhafte Mitverursachung des Schadens durch Dritte gemäß § 254 BGB entgegengehalten werden, wenn er sich dieser dritten Person zur Erfüllung der ihn im eigenen Interesse treffenden eigenen Obliegenheit bedient hat.
Liegt ein Mitverschulden des Geschädigten in diesem Sinne vor, hängt der Umfang der Ersatzpflicht von einer Abwägung der Umstände des Einzelfalls ab, wobei insbesondere auf das Maß der beiderseitigen Verursachung abzustellen ist und erst in zweiter Linie auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens. Es kommt daher nach Auffassung des BGH für die Haftungsverteilung wesentlich darauf an, ob das Verhalten des Schädigers (hier des bauüberwachenden Architekten) oder das des Geschädigten (hier des Bauherrn wegen Übergabe mangelhafter Pläne) den Eintritt des Schadens in erheblich höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat. Um eine Haftungsquote zu bilden, muss daher auch berücksichtigt werden, dass dem bauüberwachenden Architekten eine besondere herausgehobene Aufgabenstellung zukommt. Ein vollständiges Zurücktreten seiner Haftung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht.
Praxishinweis
Mit diesem Urteil hat der BGH erstmalig entschieden, dass der bauüberwachende Architekt, der einen Planungsfehler eines anderen Architekten übersieht und damit einen Schaden am Gebäude mitverursacht, gegenüber dem Bauherrn nicht in vollem Umfang, sondern nur unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote wegen des Planungsfehlers haftet.
Der BGH betont jedoch auch, dass dem bauüberwachenden Architekten eine herausgehobene Stellung unter den Baubeteiligten zukomme, da es ihm obliege, für die mangelfreie Realisierung des Bauvorhabens zu sorgen, wozu auch die Prüfung der ihm vorgelegten Pläne gehöre. Die Verletzung von Prüfungs- und Hinweispflichten des bauüberwachenden Architekten dürfe daher im Rahmen der Einzelfallabwägung und Bildung einer Haftungsquote keinesfalls bagatellisiert werden.
Hinterlasse einen Kommentar